Value Averaging unter der Lupe

Value Averaging (VA) verspricht mehr Rendite bei weniger Risiko. Warum der «Erfinder» dieser Einzahlungsstrategie bei seiner Argumentation etwas trickst, ich aber trotzdem viel davon halte, erfährst Du in meinem Einführungsartikel zu Value Averaging. Er ist Voraussetzung für das Verständnis dieses Beitrags.

Hier stelle ich nun die Ergebnisse meiner detaillierten Untersuchungen vor.

Voraussetzungen und Annahmen

Ich habe vier Strategien miteinander verglichen:

  • Rebalancing Cost Averaging (RCA): die monatliche Sparrate wird in die Assetklasse investiert, die am meisten vom relativen Sollwert entfernt ist.
  • Value Averaging mit r=4% Jahreszielrendite (VA4): Der Aktienanteil des Portfolios muss monatlich um 0.33% des vorigen Wertes plus die Sparrate wachsen
  • Value Averaging mit r=6% Jahreszielrendite (VA6): wie oben, nur mit 0.49% pro Monat
  • Value Averaging mit r=8% Jahreszielrendite (VA8): wie oben, nur mit 0.64% pro Monat

Diese Parameter gelten sowohl für RCA als auch für VA:

  • Startvermögen, b: 10000 EUR
  • Monatliche Einzahlungen (Sparleistung, C): 1000 EUR
  • Steigerung der monatlichen Einzahlungen um 1% pro Jahr (Inflationsausgleich)
  • Der Aktienanteil wird durch den MSCI World TRN repräsentiert

Diese Parameter gelten für RCA:

  • Ziel-Asset-Allocation: 80% Aktien, 20% Cash
  • Das Startvermögen von 10000 ist initial entsprechend dieser Aufteilung investiert

Für VA gilt

  • Das Startvermögen von 10000 ist komplett im Cashpuffer (kein Aktienanteil)

Simulationen

Für die vier untersuchten Strategien habe ich jeweils 13 verschiedene Zehn-Jahres-Perioden verglichen:

  • Anfang 1999 bis Ende 2008
  • Anfang 2000 bis Ende 2009
  • Anfang 2010 bis Anfang 2020
  • Mitte 2010 bis Mitte 2020 (somit ist der Corona-Crash auch enthalten)

Weiterhin habe ich den maximal möglichen Zeitraum untersucht, also Anfang 1999 bis Mitte 2020.

Ermittelt habe ich jeweils:

  • Erzielte Rendite (Interner Zinsfuss, IRR) bezogen auf das Gesamtvermögen, also inklusive Cashpuffer (anders als Edleson)
  • Absoluter Vermögensendwert
  • Standardabweichung der Monatsrenditen («Volatilität»)
  • minimaler prozentualer Cashanteil

Beispiel: Mitte 2010 bis Mitte 2020

Als Beispiel dient im Folgenden der uns am nächsten liegende Zehn-Jahres-Zeitraum, Mitte 2010 bis Mitte 2020. Die Ergebnisse für VA mit 6% Zielrendite sind:

  • 8.29% Rendite
  • 214502 EUR Vermögensendwert (davon 126121 EUR Einzahlungen und 10000 EUR Anfangsvermögen, also 78381 Gewinn)
  • 8.27% Volatilität
  • 9.6% minimaler Cashanteil (erreicht im April 2020).

Die Portfolioentwicklung lässt sich wie folgt darstellen:

Die Grafik zeigt die absoluten Ist- und Sollwerte des Aktienportfolios (linke Achse) sowie den relativen Anteil des Cashpuffers am Gesamtvermögen (rechte Achse). Am Anfang ist die Cashquote durch den initialen Puffer von 10000 EUR sehr hoch. Sie sinkt kontinuierlich und pendelt sich bei ca. 20%-30% ein. Im April 2020 sinkt sie dann infolge des Corona-Crashs, der erhebliche Neuinvestitionen in den Aktienanteil erforderte.

In der absoluten Darstellung des Cashanteils sieht man das noch etwas deutlicher:

Da der Cashpuffer nie auf null sinkt, kann dem Value Path stets sehr genau gefolgt werden.

Das gelänge sogar, wenn der initiale Cash-Puffer auf 0 gesetzt würde. Dann erhöhte sich die Rendite um ca. 1% auf 9.37% pro Jahr. Der Effekt erscheint logisch, da der renditetreibende Aktienanteil relativ höher gewichtet wird. Die Marktrendite der ersten Jahre ist trotzdem hoch genug, um einen ausreichenden Puffer für die geforderten Investitionen, beispielsweise im Januar 2019 oder nach dem Corona-Crash, aufzubauen. Das ist aber eine Einzelbeobachtung. Ein initialer Cashpuffer von null ist nicht allgemein sinnvoll.

RCA erzielte im gleichen Zeitraum übrigens fast die gleichen Rendite- und Volatilitätswerte.

Beispiel: Anfang 1999 bis Mitte 2020

Für den längstmöglichen Zeitraum sind die Ergebnisse für VA mit 6% Zielrendite:

  • 6.87% Rendite
  • 667182 EUR Vermögensendwert (davon 288794 EUR Einzahlungen und 10000 EUR Anfangsvermögen, also 368388 EUR Gewinn)
  • 14.08% Volatilität
  • 0% minimaler Cashanteil (fast durchgehend zwischen Mitte 2002 und Mitte 2014!)

Interessant ist der Vergleich mit der Strategie Rebalancing Cost Averaging, also dem Sparplan, bei dem die monatliche Sparrate entweder in den Cash- oder Aktienanteil investiert wird.

VA 6%RCA
Rendite (%)6.875.86
Vermögensendwert (EUR)667182 612958
Volatilität (%)14.0811.32
min. Cashanteil (%)017
durchschn. Cashanteil (%)1321

Value Averaging gewinnt gegenüber RCA deutlich, mit über 1% Mehrrendite pro Jahr und einem knapp 9% höheren Vermögensendwert (plus 54000 EUR). Das lässt sich wiederum durch den unterschiedlichen Anteil an risiko- und renditearmen Cash erklären. Ein einfacher Sparplan mit 100% Aktien wäre mit etwas mehr Volatilität fast genau gleich renditeträchtig.

Schauen wir uns die Entwicklung von Aktienportfolio und Cashpuffer an:

Du siehst, dass der Cashanteil zwischen Anfang 2002 und Anfang 2015 fast durchgängig bei null war. Das jeden Monat zur Verfügung stehende frische Geld hat selten gereicht, um dem gewünschten Value Path zu folgen. Das ist wenig verwunderlich, war das Jahrzehnt 1999-2009 doch eines der schlechtesten der Geschichte. 2006/2007 konnte der Value Path kurz erreicht werden. Entsprechend wurde dann auch wieder ein kleiner Cashpuffer aufgebaut. Dieser wurde aber anlässlich der Finanzkrise 2008 bald wieder komplett investiert. Nach guten Renditen wurde ab 2014 wieder verstärkt Cash akkumuliert. Stark investiert wurde im Zuge der Griechenlandkrise 2015, dem kurzen Absturz Ende 2018 und der Coronakrise 2020. Letztere führte zu starken Bewegungen: nachdem der Cashpuffer ca. 140000 EUR erreicht hatte (bei einem Gesamtvermögen von über 650000 EUR), wurden davon im März und April ca. 120000 EUR neu in Aktien investiert! Nach der starken Erholung ab Mai wurde wieder erheblich deinvestiert (ca. 80000 EUR).

Die folgende Grafik stellt den Kursverlauf des MSCI World den Investitionen gegenüber.

Hier sind die hohen Investition nach Markteinbrüchen in den Jahren 2015, 2018 und 2020 gut ersichtlich. Auch erkennbar sind die nahezu gleichbleibenden monatlichen Neuinvestitionen zwischen 2002 und 2015, die mangels Cashpuffer nur aus den monatlichen Sparbeträgen bestehen.

Es scheint, als würde die Strategie erst ab 2015 überhaupt «aktiv» werden. Das ist aber nicht richtig. Denn die dargestellten absoluten Investitionssummen sind im Verhältnis zum wachsendem Gesamtvermögen zu sehen. Und dieses wächst dank der Sparbeiträge trotz fallendem MSCI World Index. Relativ gesehen sind die Investitionen zwischen 1999 und und 2003 mit denen der späteren Jahre vergleichbar. Nennenswerte Verkäufe werden aber tatsächlich erst ab 2015 vorgenommen, nachdem die Zielrendite nach langer Durststrecke endlich erreicht wurde.

Die einzelnen Perioden im Vergleich

Die nachfolgenden Tabellen zeigen die Ergebnisse der Strategien in allen untersuchten Perioden. Erkennbar ist, dass RCA nur in drei der zwölf nicht-überlappenden Zehnjahresperioden die beste Rendite erzielt hat. In sieben Perioden war RCA das Schlusslicht, hatte dabei aber durchweg die niedrigsten Volatilitätswerte. Das ist durch den relativ hohen Cashanteil erklärbar. Dieser fiel nie unter 15%, während alle VA-Strategien über gewisse Perioden zu 100% in Aktien investiert waren.

Value Averaging mit einer Zielrendite von optimistischen 8% (VA8) hat meist die besten Rendite und die höchsten Volatiliäten erzielt. Dass die gewählte Zielrendite die Volatilität erhöht, ist in der unteren Tabelle besonders gut erkennbar.

Unterm Strich «gewinnt» Value Averaging in vielen Fällen. Bessere Renditen gehen aber naturgemäß mit höherem Risiko einher. Eine höhere Aktienquote erhöht das Risiko des (temporären) Wertverlusts. Das ist ablesbar an den Volatilitäswerten. Value Averaging erhöht die Aktienquote allerdings besonders nach starken Wertverlusten. Das ist renditeförderlich, wenn man davon ausgeht, dass auf besonders schwache Börsenphasen besonders gute folgen. Das deckt sich zwar mit vielen Beobachtungen. Statistisch ist es aber nicht abschließend bewiesen. Und wird auch nie «bewiesen» werden können, das Börsenbewegungen keinen Naturgesetzen unterliegen.

Fazit

Persönlich bevorzuge ich Value Averaging nicht wegen der potenziell höheren Rendite, sondern aus folgenden zwei Gründen:

  • nach Crashes sagt mir die Strategie genau, wie viel ich investieren soll. Ich muss also nicht grübeln, ob ich nachkaufen soll und wenn ja wie viel. Und sehr häufig hat mir die Strategie das Gefühl gegeben, zu äußerst attraktiven Preisen gekauft zu haben.
  • Ich weiß, dass ich mein finanzielles Ziel mit minimalem Risiko, also der dazu minimal nötigen Aktienquote, erreiche (außer der Markt läuft so schlecht, dass mein Kapital nicht ausreicht)

Es sind also eher psychologische Gründe, die in meinen Augen für Value Averaging sprechen. Die Aussicht auf einen Prozentpunkt mehr Rendite ist nettes Beiwerk.

Ich hoffe, diese Untersuchungen regen Dich zu eigenen Überlegungen an. Denn nur eine Strategie, hinter der Du aus Überzeugung felsenfest stehst, wirst Du in turbulenten Zeiten auch wirklich befolgen.

6 Gedanken zu „Value Averaging unter der Lupe“

  1. Vielen Dank fuer diese Studie, Eberhard

    Mir scheint, dass du VA (v.a. die Umschichtung nach hohen Aktiengewinnen in den Cash-Puffer) ohne Beruecksichtigung von Kapitalertragssteuern, (oder zahlt ihr keine in der CH? in D 26,375% auf Kursgewinne von Aktien bzw 18,4625% seit 2018 bei Fonds), Kauf/Verkaufsgebuehren machst? Oder?

    Deine Fazit-Beweggruende fuer VA wuerde ich gerne besser verstehen:

    «nach Crashes sagt mir die Strategie genau, wie viel ich investieren soll. Ich muss also nicht grübeln, ob ich nachkaufen soll und wenn ja wie viel»

    Das klingt zwar stimmig, aber ob all des Aufwandes von VA und der Minder-Rendite gegenueber einer nahezu 100%igen Aktien-Quote scheint es mir arbeitsaermer und sorgloser zu sein, einfach die Vermoegensaufbausparplaene/turnusmaessigen Kaeufe auf Autopilot zu stellen (nix denken, nix gruebeln – machen)?

    «Ich weiß, dass ich mein finanzielles Ziel mit minimalem Risiko, also der dazu minimal nötigen Aktienquote, erreiche».

    Das verstehe ich nicht? Beim Vermoegensaufbau ist doch die Volatitlitaet wurscht? Nur, wenn man Kapital verzehren moechte, kann ich Volatilitaetsziele nachvollziehen? Wieso ist eine minimale Aktienquote in der Vermoegensaufbauphase ein wertvolles Ziel?

    LG Joerg

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  2. Da du so ein guter Simulierer bist:
    Was haelst du von dieser «ich schlage den Markt mit ETFs»-Strategie»:

    Um den Index in einem Kalenderjahr zu schlagen, genuegt es in jedem Kalenderjahr mit den in diesem Kalenderjahr investierten Sparraten/Kaeufen im Durchschnitt unter den gemittelten Sparplan-Kursen in diesem Jahr zu bleiben (Vergleichsmassstab: Monats-Sparplansparer)

    Also Regel: Zukaeufe nur, wenn der Index im Instrument (zB MSCI World/ACWI oder Vanguard All World) unter dem Kurs vom Vorquartal (hier 30.12. des Vorjahres) liegt.
    Bsp: Kurs am 31.12. von 100€. Monatliche Sparraten im neuen Jahr bleiben zunaechst auf dem Konto. Limit-Kaeufe im Folgejahr nur, wenn der Kurs unter 100€ geht. ZB geht der Kurs am 10.03. auf 99€ dann werden alle bis dahin aufgelaufenen Sparraten per Limitkauf investiert.
    Am 01.04. betrachtet man die Durchschnittskurse des ETFs im ersten Quartal (zB 105€) und mache im zweiten Quartal nur Limit-Kaeufe, wenn sie unter 105€ liegen.
    USW.

    Wenn ich in einem Jahr ueberhaupt nicht zum Zuge komme (evtl war 2017 so ein absolutes Ausnahmejahr?) bleiben die dynamischen Bedingungen fuer die naechsten Quartale (oder Halbjahre) gleich und Cash schieben sich in die Zukunft (Kauflimite bleiben auf dem Niveau des letzten Quartals seit dem nicht mehr investiert wurde).
    Irgendwann tritt die Bedingung ein und erlaubt eine bessere Rendite als bei sturen monatlichen Sparplaenen. Ziel erreicht, Monats-Sparplansparer geschlagen.

    Was meinst du? Waere das theoretisch (und praktisch) eine Option? Also koennte es technisch/real klappen? Haette es historisch geklappt?

    Freilich ist eine andere Frage, ob das «Schlagen von Monats-Sparplansparern» ueberhaupt eine sinnvolle Zielsetzung ist (Lebenszeitverschwendung?) 😉

    LG Joerg

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    • Zusatzregel, damit in Baissen nicht ein zu tiefes Kauflimit eingelockt wird:
      Sind die Indexkurse ueber dem GD200 (oder einem noch festzustellenden, sinnvolleren GleitendenDurchschnitt) gilt die oben beschriebene Regel.
      Sind die Indexkurse unter dem GD200 (oder einem noch festzustellenden, sinnvolleren GleitendenDurchschnitt) wird die Regel ausgesetzt und monatlich gekauft (damit die Kurse den Kauflimits nicht uneinholbar davon eilen).

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      • Hallo,
        inzwi habe die (unsinnige) skizzierte Idee von hier drueber mit World-ETF-Daten 2008-2020 gecheckt:
        Es ist zwar mit Hindsight und Parameter(ueber)optimierung moeglich etwas besser als Monatssparplan zu landen, aber macht kaum etwas aus! Es lohnt sich nicht. Es liegt:
        a) an Marktphasen, in denen der Markt einfach ohne wesentliche Korrekturen davon eilt, aber vor allem
        b) am steigenden Depotvolumen ueber die Zeit: selbst kleine Edges (Index-Hacks) machen prozentual nix/kaum etwas aus!
        Fazit: monatlicher Sparplan in der Vermoegensaufbauphase (KISS) und gut is

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  3. Hallo,
    Vielen Dank für diese Vertiefung des VA Ansatzes. Zwei Bitten:
    1. Kannst du eventuell dein Berechnungsexcel einmal zur Verfügung stellen? Ich komme doch auf stark andere Werte als du und würde das gerne einmal abgleichen, wo mein Denkfehler liegt.
    2. Joerg hat einen interessanten Punkt angebracht. Zudem könnte man auch sagen, man baut einen Korridor ein, z.B. plus/minus 10%. Erst wenn der Ist-Wert aus diesem Korridor herausläuft, muss eine Aktion ergriffen werden. Dadurch stellt man sicher, dass positive Renditen nicht zu früh abgeschnitten werden und nicht zu früh nachgekauft wird bei Unterschreitung des Soll-Wertes. Wie du angemerkt hast, wenn ein Crash lange dauert, dann läuft man mit VA die Gefahr, dass das ganze Geld zum Anfang verschossen wird, obwohl etwas abwarten sich mehr auszahlen würde. Andersherum, wenn der Kurs dann lediglich 9% sinkt und danach wieder steigt, dann nimmt man diesen günstigen moment nicht mit. Wie immer im Leben, ist dies ein Trade-off.
    Vielen Dank dir

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    • «Zudem könnte man auch sagen, man baut einen Korridor ein, z.B. plus/minus 10%. Erst wenn der Ist-Wert aus diesem Korridor herausläuft, muss eine Aktion ergriffen werden.»

      Das würde mich auch interessieren. Unter dem Aspekt der Besteuerung sind Verkäufe ja erstmal nachteilig. Und ständiges Handeln aufgrund der Gebühren ebenfalls. Im Einleitungsartikel wurde das ja auch schon kurz angesprochen.

      Folgende Möglichkeiten sehe ich:
      -Ausgangs-Strategie mit normalen Verkäufen
      -Strategie mit Korridor für Verkäufe (oder auch für Zukäufe, oder für beides)
      -Strategie ohne Verkäufe (aka unendlicher Korridor für Verkäufe)
      -Wenn Cash zu gering: Kauf auf Kredit, bzw. mit Leverage

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